Vom Bau bis heute
Das Kirchspiel Osten war von jeh her ein bedeutender Handelsort, der erstmalig 1220 urkundlich erwähnt in Erscheinung trat und in dem sich zwei Handelswege kreuzen. Zum einen die Oste, auf der um die Jahrhundertwende des 18./19. Jahrhunderts 14 000 Schiffseinheiten die Gemeinde Osten Passierten und zum anderen der alte, immer noch aktuelle Handelsweg Benelux – Scandinavien. Die Gemeinde Osten war seinerzeit eine wohlhabende Gemeinde und das Haupthandels- und Verwaltungszentrum der Region.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden in der Gemeinde Überlegungen angestellt, die bis dahin betriebene Prahmfähre, die Osten mit Basbeck verband, durch den Bau festen Flussquerung, in Form einer Drehbrücke zu ersetzen. Grund für diese Überlegungen war die Fertigstellung der Eisenbahnlinie Harburg – Cuxhaven 1881. Osten hatte zu derzeit rund 600 Einwohner, eine Grundfläche von rund 18 Hektar, 140 Gewerbebetriebe und 22 Gaststätten und Hotels.
Mit der Eisenbahn gab es einen regelrechten Aufschwung, an dem auch Osten teilhaben wollte. Allerdings war zu ungünstigen Witterungsbedingungen Osten nicht mehr preußisch korrekt erreichbar. Problematisch war bis dahin vor allem die Verfügbarkeit der Fährverbindung, die durch hohe Wasserstände der Oste, beeinflusst durch die Gezeiten der Nordsee, durch Stürme oder durch Eisgang beeinträchtigt wurde. Der Bau einer Drehbrücke wurde jedoch auf Grund der hohen Kosten und der Zeitverluste beim Bedienen der Drehbrücke aufgegeben.
Am 10. Mai 1899 fasste der Gemeinderat von Osten stattdessen den Beschluss, eine Schwebefähre zu bauen, die witterungsunabhängig den Straßenverkehr über die Oste befördern konnte. Vorgabe für die Konstruktion war, dass die Gondel Raum für zwei gekoppelte Fuhrwerke und 25 Personen bot. Die Tragkonstruktion musste so hoch gebaut werden, dass „vollbemastete Seeschiffe“ diese unbehindert durchfahren können, was zur Auflage gemacht wurde. Hierzu war eine lichte Höhe von 21 m über den höchsten Wasserstand erforderlich.
Seit dem Frühjahr 1903 erarbeitete das MAN Werk Gustavsburg an konkreten Plänen der Anlage, deren Grundlage die französischen Schwebefähren sowie die Pläne von Eugen Langen – der die Wuppertaler Schwebebahn baute – dienten. Eugen Langen entwickelte aus seinen Schwebebahnplänen eine Schwebefähre und bot diese der Hansestadt Hamburg an, wo sie aber nie realisiert wurde. Stattdessen bauten die Hanseaten einen Elbtunnel, der 1905 fertiggestellt wurde.
Für die Elektrik der Ostener Fähre wurde die allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) verpflichtet.
Erst im April 1908 stand die Finanzierung auf soliden Füßen und so konnten die Bauarbeiten Ende 1908, mit dem Bau der Fundamente beginnen. Als Bauleiter wurde der Berliner Ingenieur Max Pinette bestellt. Trotz des ungünstigen Baubeginns im Februar konnte Deutschlands erste Schwebefähre bis September 1909 fertiggestellt werden. Die Baukosten beliefen sich inklusive der elektrischen Anlage auf 180.000 Mark, wovon das Kaiserhaus in Berlin 30.000 Mark beitrug. Am 25. September 1909 erfolgte die amtliche Probebelastung und Abnahme. Am Basbecker Ufer fand am 1. Oktober 1909 die offizielle Einweihungsfeier statt, die mit einem opulenten Festmahl im Ostener Hof fortgesetzt wurde.
In den 1920er Jahren wurde die elektrische Anlage von Gleich- auf Drehstrom umgestellt.
Die im Rahmen der Massenmotorisierung steigenden Beförderungszahlen und die dafür sehr geringe Kapazität der Schwebefähre führten in den Wirtschaftswunderjahren sehr rasch zu langen Wartezeiten an der Schwebefähre und somit zu entsprechend großen Verkehrsbehinderungen; während dieser Zeit erwirtschaftete die Schwebefähre stets einen Gewinn. Um den steigenden Fahrzeuglasten Rechnung zu tragen, wurde 1966 der untere Teil der Fährgondel infolge eines Befundes des TÜV erneuert. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Brückenbau einer Ortsumgehung bereits in Planung.
Nachdem die in den Jahren 1969–1974 erbaute Brücke über die Oste für die Bundesstraße 495 am 30. Mai 1974 für den Verkehr freigegeben war, wurde am Tag darauf die Fähre für den öffentlichen Verkehr stillgelegt. 1975 übergab die Gemeinde Osten die Schwebefähre an den Kreis Land Hadeln, der diese abreißen wollte. Jedoch standen die hohen Lohnkosten in keinem Verhältnis zum geringen Schrottwert des Alteisens. In Osten formierte sich zu dieser Zeit Widerstand, aus dem am 17. Oktober 1975 Die Fördergesellschaft zur Erhaltung der Schwebefähre Osten hervorging. Der Verein betreibt noch heute die Fähre für touristische Zwecke. 1974 wurde sie als technisches Baudenkmal unter Schutz gestellt. In den Folgejahren wurde das Fährgerüst sandgestrahlt und mit neuer Farbe versehen. 1976 wurde die Fähre für touristische Demonstrationsfahrten in Betrieb genommen.
In einem 2001 erstellten Gutachten wurde festgestellt, dass erhebliche Mängel am Traggerüst und der Technik bestehen, die zu einer Stilllegung des Betriebes führten.
Neben dem Antrieb war die Elektrik zu erneuern und Rostschutzmaßnahmen am Gerüst vorzunehmen. Für die Sanierung wurden 1,1 Mio. Euro, die aus unterschiedlichen Fördertöpfen kamen, bereitgestellt. 2006 wurde die Sanierung abgeschlossen, und es werden seitdem 26. April wieder touristische Fahrten mit dem technischen Baudenkmal Schwebefähre durchgeführt. Unterm Strich hat diese Sanierung 1,72 Mio. Euro verschlungen.
Zum 100-jährigen Jubiläum 2009 zeichnete die Bundesingenieurkammer die Schwebefähre als „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ aus.
Heute ist die Schwebefähre ein beliebtes Ausflugsziel und zum Wahrzeichen der ganzen Region, des Ostelandes und der Deutschen Fährstraße geworden.
Stationen und wichtige Jahreszahlen
1897
Am 25. Juni findet die erste Beratung über den Bau einer Brücke und Bildung einer Brückenkommission statt. Mitglieder: Amtsrichter v. Frese, Gemeindevorsteher W. A. Lohse, Friedrich Grote, Hermann Krome, W. Zettel.
1905
Am 10. August Einigung mit dem Fährbesitzer Claus Drewes über die Abtretung der Fährgerechtigkeit und Übereignung des zur Fähre/zum Fährbetrieb gehörenden Grund und Bodens an die Gemeinde Osten. Die Kaufsumme betrug 80000 Goldmark.
Am 22. August wird einstimmig beschlossen, den Bau der projektierten Schwebebahn der „Vereinigten Maschinenfabrik Augsburg und Maschinengesellschaft Nürnberg AG“ (MAN) gemäß dem Kostenanschlag vom 20. Mai 1905 zu übertragen, falls die Baudurchführung bis zum 31. Dezember 1907 gesichert ist; bis 1907 Beschaffung des erforderlichen Kapitals.
1908
Der Diplom-Ingenieur Pinette aus Berlin, heisst es am 21. April, soll Bauleiter werden. Die anstelle der bisherigen Brückenkommission neugebildete Baukommission besteht aus folgenden Bürgern: 1. Gemeindevorsteher W. A. Lohse, 2. Superintendent Bartels, 3. Amtsrichter Dr. Stange, 4. Landschaftsmaler D. Rusch, 5. Sparkassendirektor J. D. Peters, 6. Bankier Johannes Steffens, 7. Sparkassen-Rechnungsführer Ed. Tietzel.
Am 28. Juni werden die Gesamtbaukosten einschließlich des Erwerbs der Fährgerechtigkeit sowie Herstellung der Nebenanlagen auf 266500,00 Mark beziffert. Die Herstellung der elektrischen Anlage wird der AEG Berlin übertragen. Kosten ca. 20300 Mark. – Die Herstellung der vier Pfeiler für das Fährgerüst wird der Firma A.D. Hahn, Osten/Am Ostedeich, übertragen. Leitung Ingenieur Carl Hahn. Baubeginn: August 1908
Der Vertrag mit der MAN, Werk Gustavsburg, der eine Bausumme von 145000,00 Goldmark nachweist, wird am 15. Juli vom Gemeindeausschuß genehmigt.
Als Fährmänner sind am 11. Dezember gewählt: Heinrich Jark und Christoph Meyer. Der Tageslohn soll 2,50 Mark pro Fährmann betragen.
1909
Der Bau des Maschinenhauses wird am 16. April der Firma Thumann und Diercks, Osten, übertragen. Die Maurerarbeiten übernimmt Maurermeister Johann Schulze, Osten.
Als Maschinist wird am 9. September der Schlosser Hagenah eingestellt. Jahresgehalt 1200,00 Mark. Der 25. September 1909 wird als Tag der Einweihung bestimmt, als Festlokal das Hotel „Ostener Hof“.
Am 1. Oktober findet die Einweihungsfeier statt, die auf Wunsch des Landrats auf diesen Tag verlegt wurde. Die Feier soll um 1.00 Uhr nachmittags auf dem Basbecker Ufer stattfinden. – Technische Daten: Stützweite des Überbaues 80 m, Konstruktions-Unterkante: 30 m über NN, Höhe des Fach-Gerüstes: 8 m, Portal-Weite: 25 m, Tragwand-Abstand: 10 m, Laufrad-Durchmesser: 140 cm. Die Pfeiler sind von einer Spundwand (Kiefer) mit 5 bzw. 4 m Rammtiefe umschlossen. Das Fundament der Pfeiler und diese selbst bestehen aus einer Mischung von einem Teil Zement, drei Teilen Sand und sechs Teilen Hartbrandziegelbrocken.
1921
Versorgung mit Strom vom Portland Zementwerk
1954
Anschluss an das öffentliche Stromnetz.
1966
Der untere Teil der Fährgondel wird für rund 170.000,00 DM erneuert, wie es im Jahre vorher der TÜV gefordert hatte.
1974
Nachdem die in den Jahren 1969 bis 1974 erbaute Brücke über die Oste (B 495) für den Verkehr freigegeben war, wurde die Schwebefähre am 31. Mai 1974 stillgelegt. Noch im selben Jahr wird die Schwebefähre als technisches Kulturdenkmal unter Schutz gestellt und zeigt somit die sehr hohe Wertigkeit, die schon damals dem Bau zuerkannt wurde.
1975
Die »Schwebebahn Osten« wurde durch Beschluß des Kreistages vom 23. 6. 1975 als technisches Baudenkmal in die Trägerschaft (Eigentum) des Kreises Land Hadeln übernommen. In den Jahren 1975/76 wurde das Gerüst der Schwebefähre gründlich überholt; Kosten rund 235000 DM.
Am 17. Oktober 1975 wurde in Osten die „Fördergesellschaft zur Erhaltung der Schwebefähre Osten e. V.“ gegründet, der vom Eigentümer, dem Landkreis, dann die Genehmigung zur Wiederinbetriebnahme der „Schwebebahn“ für Zwecke des Fremdenverkehrs erteilt wurde. Vorsitzender wurde Horst Ahlf.
1976
Seit dem 31. Juli 1976 dient die in ihrer Konstruktion einmalige Schwebefähre, das Wahrzeichen der Gemeinde Osten, als Attraktion dem Fremdenverkehr.
1984
Feier des 75jährigen Jubiläums der Schwebefähre. Jürgen Gerecke eröffnet das Fest.
1998
Im Mai fand die erste Taufe auf der Schwebefähre statt.
2001
Stilllegung der Schwebefähre wegen gravierender Mängel.
2003
Der Weltverband der Schwebefähren wurde in diesem Jahr gegründet mit dem Ziel, sich für diese Meisterwerke des Ingenieurwesens und des industriellen Erbes einzusetzen, sie zu schützen und zu erhalten. In diesem Verband sind alle 8 Schwebefähren vertreten. Der Sitz ist in Bilbao. Hier befindet sich die weltweit älteste Schwebefähre und von hier ging die Initiative zur Gründung des Verbandes aus.
2006
21. April: Wiederinbetriebnahme nach 5-jährigem Stillstand und umfangreichen Sanierungsarbeiten
2007
Nach kontroverser Diskussion und Mehrheitsbeschluss auf der Jahreshauptversammlung am 9. Februar 2007 wurde die Fördergesellschaft zur Erhaltung der Schwebefähre Osten e.V. in Fördergesellschaft zur Erhaltung der Schwebefähre Osten-Hemmoor e.V. umbenannt.
Wirksam wurde diese Namensänderung mit Eintrag im Vereinsregister Tostedt am 26.November 2007.
Im selben Jahr passte auch der Landkreis Cuxhaven den Namen der Schwebefähre in Schwebefähre Osten-Hemmoor an.
2009
Zum 100-jährigen Jubiläum der Schwebefähre hat die Fördergesellschaft das Buch „Über die Oste“ herausgegeben.
1. bis 4. Oktober:
Großes Jubiläumsfest und Auszeichnung der Bundesingeneurkammer „Historisches Wahrzeichen der Ingeneurbaukunst in Deutschland“
2012
Nach 36 Jahren übergab Horst Ahlf den Vorsitz der Fördergesellschaft an den langjährigen 2. Vorsitzenden Karl-Heinz Brinkmann.
2017/2018
Sanierung der vier Fundamente
2019
Installation einer neuen Stromleitschiene
2020
8. Mai: völlige und sinnlose Zerstörung der FährStuv
Corona-Pandemiebedingte Einschränkungen im musealen Fährbetrieb
2023
März: Eröffnung der neuen Fährstuv
Juni: am 24. Juni fand die 2. Taufe auf der Fährgondel statt.
2025
Am 17. Oktober jährt sich zum 50. Mal der Gründungstag der Fördergesellschaft.
Free AI Website Builder
Besuche uns auch auf